20. August 2019
Salzburg und die Literatur
Literarisches Salzburg
Hinein in die nächste Buchhandlung und sämtliche Werke von Stefan Zweig, Georg Trakl, Thomas Bernhard und Peter Handke erstehen, ganz egal, ob das eine oder andere Buch nicht schon bei mir zu Hause im Bücherregal stand. Wäre ich zu diesem Zeitpunkt in Salzburg gewesen, wäre ich wohl in der Buchhandlung Höllrigl gelandet. Das Zunftzeichen, das über dem Laden angebracht ist, zeigt eine Eule, die beiden griechischen Buchstaben Alpha und Omega, drei Noten und die Jahreszahl 1594. Somit ist die Buchhandlung Höllrigl die älteste Buchhandlung Österreichs.
Jedes Mal, wenn ich in Salzburg bin, schaue ich beim Höllrigl vorbei. Es ist ein bisschen so wie heimkommen, denn in einer ähnlichen Buchhandlung am Graben in Wien, beim Gerold, habe ich meine Lehrzeit absolviert. Den Gerold gibt es nicht mehr, und damit es den Höllrigl noch lange gibt, kaufe ich immer was. Dieses Mal ziehe ich mit dem Büchlein „Das Salzburg des Stefan Zweig“ und einer Postkarte mit seinem Konterfei von dannen. Denn natürlich hatte ich die Einladung zur Pressereise angenommen und stand nun in der „Mozartstadt“, die sich für mich im Laufe der nächsten 48 Stunden immer mehr zur „Literaturstadt“ verwandelte.
Untergebracht war ich im Hotel Stein, direkt am Salzachufer, mit Blick auf die Festung Hohensalzburg. Wäre ich Schriftstellerin oder Poetin, hätte ich diesen Blick auf das andere Ufer, den frühmorgendlichen Nebel, den Rathausturm, den Mönchsberg, die Kirchtürme, die Kuppeln, die frische Luft und das Lärmen der O-Busse literarisch verewigt und mich in eine Reihe mit prominenten Schriftstellern und Schriftstellerinnen gestellt. Die einen lobten ihre Stadt oder machten sich über sie lustig, die anderen verabscheuten sie, flüchteten aus ihr oder ignorierten sie ihr Leben lang.
Was sagt Thomas Bernhard über seine Heimatstadt?
Thomas Bernhard zum Beispiel war seiner Heimatstadt nicht unbedingt zugetan. „Alles in dieser Stadt ist gegen das Schöpferische, und wird auch das Gegenteil immer mehr und mit immer größerer Vehemenz behauptet, die Heuchelei ist ihr Fundament, und ihre größte Leidenschaft ist die Geistlosigkeit, und wo sich in ihr Phantasie auch nur zeigt, wird sie ausgerottet“. Dieser Satz aus dem Bernhards Roman „Die Ursache“ ziert eine Tafel im Salzburger Literaturhaus.
Eine weitere Gedenktafel ist am Landestheater angebracht und verweist auf fünf Uraufführungen. Die skandalträchtigste war „Der Ignorant und der Wahnsinnige“, wo sich Regisseur Claus Peymann aus dramaturgischen Gründen die Abschaltung der Notbeleuchtung wünschte. Bei der Generalprobe wurde dem Wunsch stattgegeben, bei der Uraufführung brannten die Lämpchen. „Eine Gesellschaft, die zwei Minuten Finsternis nicht verträgt, komme auch ohne sein Schauspiel aus“, wütete Bernhard, das Stück wurde abgesetzt.
Bernhards liebstes Kaffeehaus war übrigens das Café Bazar, es liegt nicht unweit des Landestheaters direkt am Salzachufer. Und wie es sich für ein richtiges Literatencafé gehört, wurde das Café Bazar auch literarisch verarbeitet. So schreibt Martin Walser in seinem Text „Am meisten beneide ich hier die Japaner“: Es stärkt, in diesem Café zu sitzen und zuzuhören, wie die Leute sich engagiert über die Kritiken unterhalten, Vorstellungen betreffend, die wir, die Leute und ich, nicht gesehen haben.
Obwohl er nicht zu den Kaffeehausliteraten gehörte, zählte Stefan Zweig zu den Stammgästen. Am Tisch mit der Nummer 7 hielt er Hof, seine literarische Arbeit erledigte er in seinem Schlösschen am Kapuzinerberg. Neben Zweig waren Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt, Thomas Mann und Friedrich Torberg oft und gern gesehene Gäste im Café Bazar.
Mittlerweile gehöre ich auch zu den Stammgästen. Wie und wo geht es jetzt literarisch weiter? Hinein in das Hotel Sacher, vormals Österreichischer Hof, wo Arthur Schnitzler 1890 abstieg und einen Brief an seine heimliche Liebe Olga Waissnix verfasste oder ins Mozarteum, wo Thomas Mann literarische Vorträge hielt? So wie Schnitzler logierte Thomas Mann im Österreichischen Hof. Aber in welchem Zimmer wohnte er? Konnte er von seinem Zimmer aus einen Blick auf das Kuppelwieserschlößl, auch Konstantinturm genannt, erhaschen?
Hier arbeitete Bert Brecht am „Salzburger Totentanz“, einer Art Anti-Jedermann, in Auftrag gegeben von Gottfried von Einem, seinem Gast- und Quartiergeber und zugleich Mitglied des Direktoriums der Salzburger Festspiele. Einem’s Engagement für einen Kommunisten kam beim damaligen Landeshauptmann Josef Klaus gar nicht gut an, wortgewaltig wurde er aus dem Direktorium ausgeschlossen. Von Peter Handke sind keine Skandale bekannt, er bewohnte von 1979 bis 1988 ein Nebengebäude des Schlößl und war sehr produktiv.
Stefan Zweig wohnte im Paschingerschlössl am Kapuzinerberg
So wie auch Stefan Zweig, der seinen Hauptwohnsitz 60 Jahre früher am gegenüberliegenden Kapuzinerberg aufschlug. Steigt man den steilen Weg empor, ist einem jede Pause recht und so fällt mir im Durchgang von der Linzergasse zum Kapuzinerberg das verstaubte Schild „Kapuzinerberg, Stefan-Zweig-Weg“ auf. Das war’s dann aber auch schon mit der Würdigung des großen Dichters, denn kann man diesen auch als Kreuzweg genutzten Weg nach einem jüdischen Selbstmörder nennen? Es war weniger ein Skandal, als eine Posse, die die Gemeinderäte im Jahre 1956 aufführten. Denn erst nach der letzten Kreuzwegstation, dem Kapuzinerkloster, heißt der Weg auch wirklich Stefan-Zweig-Weg, ein Waldweg ohne Haus, der bis zum Franziskischlössl führt.
So lautet das Türschild an der Zweig-Villa also Kapuzinerweg 5. Neugierig luge ich über die Gitterstäbe des Gartentores. Dieses Gartentürl mit den stilisierten Buchstaben „SZ“ war das Hochzeitsgeschenk von Friderike Winternitz an ihren frischgebackenen Ehemann Stefan Zweig. So ein Geschenk erscheint mir seltsam, aber noch viel eigenartiger finde ich die Eheschließung. Friderike Winternitz ließ sich bei der Trauung in Wien von einem Freund der Familie vertreten, und dass ihr Ehemann nach vollzogener Trauung nicht gleich nach Hause eilte, fand sie gar nicht schlimm, sie fragte ironisch in einem Brief nach: „Mein lieber Stefan, wie war die Hochzeitsnacht?“.
Jules Romain gab dem Haus den Namen „Villa Europa“, die Schriftsteller gingen ein und aus. So zählten Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, James Joyce, Arthur Schnitzler, Josef Roth, H.G. Well Carl Zuckmayer, Franz Werfel und Jakob Wassermann zu Zweigs Gästen.
Georg Trakl und sein Salzburg
Bei solch berühmten Schriftsteller-Reigen hätte ich fast auf Georg Trakl vergessen. Dabei sind im Moment sogar die Salzburger Schaufenster mit Auszügen aus seinen Gedichten geschmückt. „Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, folg ich der Vögel wundervollen Flügen.“ lese ich in der Linzer Gasse, wo die Apotheke aufzufinden ist, in der Trakl seine Lehre absolviert hat. An der Mauer ist eine von neun Gedenktafeln mit einem Gedicht Trakls angebracht. Eine weitere Tafel entdecke ich am St.Peters-Friedhof und eine dritte in Trakls Geburtshaus, am Waagplatz 1A, wo eine Forschungs- und Gedenkstätte eingerichtet wurde.
Und schon stehe ich wieder in der Buchhandlung Höllrigl und halte das schmale Inseltaschenbuch mit sämtlichen Gedichten Trakls in meinen Händen. Und es wäre nicht der Höllrigl, lägen hier nicht noch andere Bücher von Salzburger Autoren auf, so muss das neue Buch von Karl-Markus Gauss mit, und der neue Amanshauser und weil es eh schon egal ist und der Koffer so schwer, lasse ich mir noch den neuesten Salzburg-Krimi von Manfred Baumann empfehlen. „Mozartkugelkomplott“ heißt er. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich eine begeisterte Krimileserin bin und mich da immer so herrlich verzettle?
Literarische Orte in Salzburg
Literaturhaus Salzburg mit über 270 Literaturveranstaltungen im Jahr
http://www.literaturhaus-salzburg.at/
Traklhaus
http://www.kulturvereinigung.com/georg-trakl/georg-trakl-haus/
Stefan Zweig Centre
http://www.stefan-zweig-centre-salzburg.at/
Buchhandlung Höllrigl
http://www.buchhandlung-frick.at/salzburg.php
Literaturarchiv Salzburg
http://www.uni-salzburg.at/index.php?id=72
Buchhandlung Rupertus
http://www.rupertusbuch.at/Rupertus
Bibliotheksaula der Universitätsbibliothek Salzburg
https://www.uni-salzburg.at/index.php?id=30038
Literaturfestivals in Salzburg und im Salzburger Land
Rauriser Literaturtage
http://www.rauriser-literaturtage.at/
Literaturfest Salzburg
http://www.literaturfest-salzburg.at/
Henndorfer Literaturspaziergang
http://www.literaturhaus-henndorf.at/
Krimifest Salzburg, organisiert vom Literaturhaus
http://www.literaturhaus-salzburg.at/
Salzburger Buchtage
Termin für 2016 steht noch nicht fest
Vielen Dank an die Stadt Salzburg, die mich auf die literarisches Salzburg eingeladen hat.
Ein wilder Ort voller Geschichten!
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Am liebsten würde ich als Wolkenbeobachterin in einem Baumhaus leben. Bis zur Decke vollgestopft mit Büchern, versteht sich. Denn die verschlinge ich, seit ich denken kann. Ich bin eine Vielleserin, durch und durch. Irgendwann hab‘ ich selbst mit dem Schreiben angefangen. Weil ich mich erinnern möchte. Weil sich auf Papier gebracht vieles leichter sagen lässt. Weil ich kleinen und großen Dingen mit den richtigen Worten das nötige Gewicht verleihen will. Wie eine Geschichtenerzählerin. Meine Texte packe ich wie Geschenke in Formulierungen ein – und der Leser packt sie aus.